Entschleunigung verringert Stress

11 Caritas-Einrichtungen beteiligten sich am Projekt „Achtsam handeln“
„Gewalt beginnt lange vor dem Tritt in die Magengrube.“ Mit diesem Satz verdeutlichte Weihbischof Herwig Gössl, dass Übergriffe schon bei Kraftausdrücken anfangen, die für manche Menschen bereits „normal“ seien.
Er verwies auf eine zunehmende Verrohung in der Gesellschaft, die sich nicht nur an den Hasstiraden in den sozialen Medien beobachten lasse. „Wenn innere Barrieren brechen, werden Menschen zu Taten fähig, die sie selbst nicht von sich vermutet hätten.“
Gerade in Organisationen, in denen Menschen sich sehr nahe kommen, seelisch wie körperlich, ist die Gefahr groß, dass es zu Grenzverletzungen kommt. Dabei können die Mitarbeiter sowohl in die Täter- wie die Opferrolle geraten. Damit sich nicht Strukturen einschleifen, die Übergriffe begünstigen, hatte der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg das Projekt „Achtsam handeln“ aufgelegt.
Im Vordergrund des Projektes „Achtsam handeln“, das im November 2016 begann, stand die Sensibilisierung aller Mitarbeiter für Gewalt im Arbeitsalltag. Zunächst wurde bei einem allgemeinen Projekttag der Ist-Zustand analysiert. Dann konkretisierten Arbeitsgruppen in den einzelnen Einrichtungen das Thema anhand von Fallbeispielen. Acht Caritas-Alten- und Pflegeheime sowie drei Einrichtungen aus dem Heilpädagogischen Zentrum in Lichtenfels nahmen an dem Projekt teil.
Ergebnis des Projekts ist nicht, dass in Pflege und sozialer Arbeit keine Konflikte mehr auftreten. Doch haben die Beteiligten gelernt, bewusster und achtsamer mit bestimmten Situationen umzugehen. Das Gefühl von Scham ist omnipräsent in der Pflege – sei es beim Waschen, Anziehen oder dem generellen Eingreifen in die Intimsphäre des Betreuten. Von den Pflegenden ist daher Empathie und Sensibilität für ihr Gegenüber gefordert.
Als Erfolg des Projekts werteten die Teilnehmenden: Durch eine bewusste Achtsamkeit werden Arbeitsprozesse entschleunigt, was zu weniger Stress führt. Andererseits frisst die intensive Auseinandersetzung mit Konfliktsituationen zeitliche Ressourcen, was wiederum zu Zeitnot und Stress führen kann.
Hauptreferent Dr. Michael Wunder warnte freilich auch davor, dass Stress als Ausrede dienen könne für Aggression. Er empfahl den Einrichtungen eine gute Besprechungskultur. Dabei solle nicht bloß vereinbart werden, was mit einem Patienten, einem Bewohner zu tun sei. Sondern es sei zu besprechen: Wie geht es ihm? Und: Wie geht es mir mit ihm?