„Fehlender Wohnraum erzeugt gesellschaftliche Konflikte“

Caritas-Herbstsammlung im Erzbistum Bamberg wurde eröffnet
„Wohnungsnot gefährdet den sozialen Frieden.“ Mit dieser Feststellung begründete Hermann Beckering, warum die Caritas im Erzbistum Bamberg ihre Herbstsammlung unter die Überschrift „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ gestellt hat. Der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Coburg führte in den Gottesdienst ein, der die Spendensammlung bistumsweit eröffnete. Weihbischof Herwig Gössl zelebrierte ihn am 23. September in der Coburger Kirche St. Augustin.
In Deutschland fehlen rund eine Million Wohnungen, rechnete Beckering vor. Luxussanierungen und Mietsteigerungen bedingten, dass inzwischen auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft keine bezahlbare Wohnung mehr finden. Besonders zeige sich das Problem bei den Sozialwohnungen. Ihr Bestand sei von 3,9 Millionen 1987 auf 1,3 Millionen im Jahr 2015 gesunken, ein Rückgang von 70 %. Gründe seien der Wegfall der Mietpreisbindung und der attraktiven Kapitalanlage mit der Folge, dass „einfach zu wenige Sozialwohnungen gebaut wurden“.
Diese Entwicklung berge Konfliktpotential. Denn die Wohnung sei nicht nur privater Lebensmittelpunkt, persönliche Lebensqualität und Intimsphäre. Sie sei ebenso Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, für Kontakte und Beziehungspflege. Ausreichend bezahlbarer Wohnraum ermögliche, dass sich Menschen unterschiedlicher Milieus begegnen können. Wohnungsnot „ist sicherlich auch der Nährboden für extreme politische Positionen“, konstatierte Beckering.
Verlust der Wohnung abwenden
Die Caritas setze sich daher dafür ein, „dass jeder Mensch ein Recht auf einen privaten Schutzraum zu bezahlbaren Preisen erhält“. Wie sie das konkret tun, beschrieben anschließend Mitarbeiterinnen von Allgemeiner Sozialer Beratung, Schuldnerberatung, Asylsozialberatung, Familienhilfe und Seniorenheim. Geschildert wurde etwa der Fall eines Mannes, der aufgrund einer psychischen Erkrankung den Überblick über seine Finanzen verlor. Durch Gespräche mit Sozialamt und Vermieter konnte die Caritas die drohende Räumungsklage abwenden.
An die Politik appellierte Beckering, die Schaffung bezahlbaren Wohnraums zum zentralen Ziel gesellschafts- und sozialpolitischer Anstrengungen zu machen. Zu dem Gottesdienst waren auch Coburgs Oberbürgermeister Norbert Tessmer und Landrat Michael Busch gekommen.
Vom Wert des Dienens
Dass es beim fehlenden Wohnraum um mehr als nur Gebäude geht, machte auch Weihbischof Herwig Gössl in seiner Predigt deutlich. Wer keine Wohnung finde, dem fehle die Erfahrung „Ich bin angenommen, jemand hilft mir und setzt sich für mich ein.“
Seine Ansprache nutzte Gössl zudem zu einem Appell gegen die Geringschätzung des Dienens. Bei der Berufswahl stünden heute der Verdienst und die Balance von Arbeits- und Freizeit im Vordergrund. Er glaube aber nicht, dass – wie von der Politik suggeriert – höhere Einkommen und mehr gesicherte Freizeit allein den Pflegeberuf attraktiver machten. Es bedürfe vielmehr in der Gesellschaft einer „Werteverschiebung vom Verdienen zum Dienen, vom Nehmen zum Geben, vom Konsum zur Kultur.“ Dafür trete das Christentum ein. „Denn ohne Dienen gibt es keine Familie, keinen Verein, keinen Sozialstaat und keine Kirche.“
Die Sammlung
Die Caritas-Herbstsammlung findet bis zum 30. September statt. Die Haustürsammlung wird von Ehrenamtlichen der Pfarreien durchgeführt. Rund 3.000 Freiwillige gehen im Erzbistum Bamberg in der Sammlungswoche zu den Bürgern und bitten um eine Spende für die Caritas. Etliche Pfarreien verteilen auch Flyer mit angehängtem Zahlschein in die Briefkästen der Haushalte. Die Sammlungswoche endet mit der Kollekte in den katholischen Sonntagsgottesdiensten des 30. September.
Vom Ertrag der Sammlung erhalten in der Erzdiözese Bamberg die Pfarreien 40 Prozent für ihre eigenen sozial-karitativen Aufgaben. Je 30 Prozent gehen an den Diözesan-Caritasverband und an die Stadt- und Kreis-Caritasverbände zur Finanzierung jener Angebote, die stark von Eigenmitteln der Caritas leben. Dazu gehören die Allgemeine Soziale Beratung und die Hilfsfonds, aus denen Bedürftige individuelle Unterstützung etwa bei Miet- oder Energieschulden erhalten können.
In Bayern findet jeweils im Frühjahr nach dem zweiten Fastensonntag und im Herbst nach dem letzten Septembersonntag eine Caritas-Sammlungswoche statt. Bei den beiden Caritas-Sammlungen 2017 kamen Spenden in einer Höhe von insgesamt gut 1,15 Millionen Euro zusammen.