„Gut integrierte Flüchtlinge in ein Krisengebiet auszuweisen, ist widersinnig“

Diözesan-Caritasverband kritisiert Abschiebepraxis – Junger Mann, von Caritas-Jugendhilfe betreut, wurde kurzfristig nach Afghanistan ausgeflogen
„Gut integrierte Menschen zu behandeln wie Gefährder und Kriminelle und sie in ein Krisengebiet abzuschieben, steht in klarem Widerspruch zu den Grundsätzen, auf denen unser Rechtsstaat beruht“, kritisiert der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg Bayerns neue Rückführungspraxis. Er reagiert damit auf die jüngste Sammelabschiebung, bei der am 3. Juli 2018 69 Asylbewerber nach Afghanistan ausgeflogen wurden. Einer der Abgeschobenen ist ein junger Mann, der von der Caritas-Jugendhilfe mit Sitz in Pettstadt (Landkreis Bamberg) betreut wurde.
„Ausgerechnet diesen jungen Mann auszuweisen, ist geradezu grotesk“, sagt der stellvertretende Diözesan-Caritasdirektor Helmar Fexer. Der junge Mann kam als vierzehnjähriger Junge in die Caritas-Jugendhilfe, war somit seit vier Jahren in Deutschland. Seine Betreuer beschreiben ihn als ausgesprochen vernünftig, pünktlich, gewissenhaft und sehr ausgeglichen. Er habe an allen Maßnahmen aktiv mitgearbeitet und seine Chance in einer guten Ausbildung gesehen. Sein Deutsch sei inzwischen ausgesprochen gut. In zahlreichen Betrieben habe er bei Praktika einen guten Eindruck hinterlassen. Das zurückliegende Schuljahr war er in einer Vorklasse für Schreiner. Ein Betrieb hätte ihn auch als Auszubildenden genommen, doch erhielt er keine Ausbildungserlaubnis. Daher entschied er sich für eine schulische Ausbildung. Mit den Berufsfachschulen Mariahilf in Bamberg bestand bereits ein Vertrag über eine Ausbildung in Ernährung und Versorgung.
„Mit dem abgeschobenen jungen Mann verlieren wir einen Nachwuchs, wie wir ihn für den deutschen Arbeitsmarkt dringend brauchen“, ergänzt Friederike Müller. Sie ist beim Diözesan-Caritasverband als Bereichsleiterin für die trägereigenen Einrichtungen zuständig, zu denen die Caritas-Jugendhilfe gehört. „Wir haben z.B. im Bamberger Dr.-Robert-Pfleger-Rehabilitations-und Altenpflegezentrum St. Otto in der Mitarbeiterschaft 30 verschiedene Nationalitäten. Für die Hauswirtschaft bekommen wir nur noch Bewerbungen von Arbeitskräften mit Migrationshintergrund.“
Empört ist der Diözesan-Caritasverband auch über die Umstände der Abschiebung. Das Jugendamt habe nach der Volljährigkeit des jungen Mannes den Antrag gestellt, ihn in ein betreutes Wohnen der Caritas wechseln zu lassen. Die Regierung von Oberfranken habe ihn jedoch zunächst in eine Gemeinschaftsunterkunft eingewiesen. Inzwischen lag die Erlaubnis vor, dass der junge Mann am 5. Juli in die Caritas-Unterkunft umziehen darf. Zwei Tage vorher wurde er in der Gemeinschaftsunterkunft in Abschiebehaft genommen und noch am gleichen Abend ausgeflogen.
Ablehnung erteilt der Diözesan-Caritasverband der Politik des bayerischen Innenministeriums, „dass Abschiebungen nach Afghanistan generell wieder uneingeschränkt stattfinden können und damit die Beschränkung auf Straftäter, Gefährder und hartnäckige Identitätsverweigerer entfällt.“ Unter Berufung auf Caritas international bewertet der Diözesan-Caritasverband die Sicherheitslage am Hindukusch als „extrem angespannt“. In Afghanistan operiere die weltweit höchste Zahl bewaffneter und terroristischer Gruppen. Über deren unmenschliche Behandlung der Bevölkerung gebe es vielfältige Berichte. Die wahllose Abschiebung abgelehnter Asylbewerber wertet der stellvertretende Diözesan-Caritasdirektor Helmar Fexer daher als Verstoß gegen das Gebot der Menschlichkeit.
Die Wirkung der uneingeschränkten Ausweisungen auf die jugendlichen Flüchtlinge beschreiben Mitarbeiter der Caritas-Jugendhilfe als katastrophal: „Die Jugendlichen sagen uns, es sei doch völlig egal, wie sich verhielten; sie würden ja ohnehin abgeschoben.“ Der Diözesan-Caritasverband bezweifelt daher die Begründung für die Sammelabschiebungen. Bayerns Innenministerium hatte in einer Pressemitteilung erklärt, die Pflicht zur Ausreise müsse unbeirrt durchgesetzt werden, um „die notwendige Akzeptanz für jene, die hier gut integriert werden sollen“, zu erhalten. Die Erfahrung lehre, so die Caritas, dass das Damoklesschwert der Abschiebung die Integration der Jugendlichen gerade verhindere.